Posted by Saphira Borer, PwC Basel
Ein aktueller Bundesgerichtsentscheid gibt Anlass, ein paar grundsätzliche Fragen im Spannungsfeld zwischen Mehrwertsteuer- und Zwangsvollstreckungsrecht zu klären:
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Auch in einem Konkurs- bzw. Nachlassverfahren bleibt die ESTV die für die Feststellung von Bestand und Umfang der MWST zuständige Behörde;
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Ein Konkurs- bzw. Nachlassverfahren bildet nicht per se Anlass für eine Schätzung der Steuer im Sinne von Art. 60 aMWSTG. Auch bei einer späteren Befriedigung der Leistungserbringer durch Abschlags- und Dividendenzahlungen ist der Anspruch auf Rückerstattung der Vorsteuer grundsätzlich konkret zu bestimmen;
- Erhöht sich aufgrund der Dividendenzahlungen der Vorsteueranspruch der Steuerpflichtigen in Liquidation, handelt es sich dabei nicht um eine Masseforderung, da der Vorsteueranspruch vor der Bewilligung der Nachlassstundung entstanden ist;
- Der Leistungsempfänger hat auch dann Anspruch auf den Vorsteuerabzug, wenn der Lieferant die MWST nicht abgeliefert hat und die ESTV im Konkurs zum Verlust kommt. Vorausgesetzt wird aber, dass der Leistungsempfänger die Vorsteuer effektiv bezahlt hat.
Daraus ergibt sich, dass sich die im Nachlass eingegebene Steuerforderung der ESTV von selbst anpasst, da die Zahllast die Differenz zwischen Bruttosteuer und Vorsteuer bildet. Einer ausdrücklichen Verrechnungserklärung durch die ESTV bedarf es daher nicht.
BGer Urteil 2C_650/2011 vom 16. Februar 2012